Wie die ADHS-Diagnose mein Selbstbild veränderte

“Herr Schultheiß, Sie haben ADHS.” Tatsächlich? Wow, jetzt ist es schwarz auf weiß. Diesen Verdacht schleppte ich schon seit langer Zeit mit mir herum. Als ich die Bestätigung bekam, war es keineswegs eine Überraschung, wohl aber eine große Erleichterung.


Als mein ADHS-Verdacht vor etwa 2 Jahren aufkam, änderte sich langsam aber sicher das Bild, das ich von mir hatte. Ich hatte mich immer als jemanden gesehen, der zwar recht clever ist, aber mehr als nur oft hinter seinen Möglichkeiten zurückblieb. “Bin ich vielleicht doch einfach nur dumm?” fragte ich mich oft. Als der ADHS-Verdacht aufkam (ja, auch durch Social Media), änderte sich dieses Bild langsam. Ich bin selbst Psychologe und hatte es lange bei mir selbst übersehen. Wir haben alle Vorurteile und blinde Flecke. “Hab ich vielleicht doch ADHS?” Naja, ich hatte diesen Gedanken erstmal immer wieder verworfen.


Er stellte sich aber als recht hartnäckig heraus. Meine Frau Lisa wurde ebenfalls etwa anderthalb Jahre vor mir diagnostiziert. Irgendwie dachte ich zunächst (wahrscheinlich unterbewusst), dass ich es nicht haben kann,wenn sie es hat, denn so häufig sei es ja doch nicht. Es kursieren viele Vorurteile und es wird immer wieder von einem angeblichen ADHS-Hype gesprochen und wie problematisch es doch sei, dass sich jetzt angeblich alle über TikTok selbst diagnostizieren würden. Ich bin mir sicher, dass das mich auch davon abgehalten hat, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Meine Frau hat mich aber motiviert, dran zu bleiben. Und ja, vielleicht macht es auch einfach Sinn, dass zwei Personen mit ADHS sich gefunden haben und es miteinander gut aushalten. Vielleicht weil wir viel Verständnis für einander haben, z.B. was Verplantheit im Alltag und andere “Verrücktheiten” betrifft.


Im Sommer 2023 wollte ich diese Sache jetzt einmal geklärt haben und es offiziell bestätigt bekommen. Ich wünschte mir, dass mir jemand glaubt, dass mich jemand ernst nimmt und dass jemand mit Expertise ebenfalls die Einschätzung mit mir teilt. Also beschloss ich, mich damit auseinanderzusetzen und mich um eine Diagnostik zu bemühen. Das stellte sich erstmal nicht so einfach heraus, aber nach einigen erfolglosen Telefonaten und E-Mails stand ich dann doch auf einer Warteliste. Es vergingen dann zwar doch noch einmal einige Monate (aus den geschätzten 2 wurden am Ende 5 Monate), aber dann war es endlich soweit und ich wurde zum ersten Diagnostiktermin in einer psychotherapeutischen Praxis eingeladen.


Das Ergebnis der Diagnostik war eindeutig: Ich habe ADHS. Dieses Wissen gab vielen meiner Charakterzüge und Verhaltensweisen, die mich mein Leben lang begleitet hatten, endlich einen Namen und eine Erklärung.

Es hat sich eigentlich schon lange abgezeichnet

Meine Schwierigkeit, bei einer Sache zu bleiben, meine Diskussionsfreudigkeit mit Lehrer*innen und Supervisor*innen sowie meine Probleme, mich in Strukturen einzufügen, die aus meiner Sicht sinnlos oder ungerecht waren, haben oft zu Motivationsproblemen geführt. Ich hatte Schwierigkeiten, Dinge durchzuziehen und mich anzupassen. Als Kind galt ich immer als derjenige, der sehr viel zu erzählen hatte, Geschichten ohne Ende erzählte und Vorträge hielt. Wenn mich etwas interessierte, konnte ich so viel Zeit und Energie investieren, dass es beinahe manisch wirkte – ein Hyperfokus, wie ich jetzt weiß, der im Zusammenhang mit ADHS steht.


Auf der anderen Seite empfand ich Beschäftigungen, die mich langweilten oder deren Sinn ich nicht einsehen konnte, als quälend, ja regelrecht schmerzhaft. Die ständigen Fragen, warum mir bestimmte Dinge so schwer fielen, warum ich im Alltag so zerstreut und fahrig bin und warum mir ständig Tassen, Gläser und Teller zu Bruch gehen, haben mich lange begleitet. Als Kind wurde ich bereits oft als schusselig bezeichnet. Jetzt verstehe ich, dass dies alles Teil der Aufmerksamkeitsstörung bei ADHS ist.

Wie geht es jetzt für mich weiter?

Was bedeutet dieses Wissen nun für mich? Es hat mir klar gemacht, dass die Schwierigkeiten, mit denen ich konfrontiert bin, eine neurologische Grundlage haben. Ich kann mein Gehirn nicht einfach durch Mehranstrengung "normal" funktionieren lassen. Aber ich kann lernen, mit meinen Schwächen und Einschränkungen im Alltag wohlwollend umzugehen. Sie sind ein essenzieller Teil meiner Selbst, meiner Persönlichkeit, und ich muss lernen, sie auf meinem Lebensweg mitzunehmen und mir Unterstützungssysteme aufzubauen. Einige Hilfen habe ich bereits etabliert, an anderen arbeite ich noch. Die Erkenntnis, dass ich ADHS habe, ist nicht das Ende meiner Reise, sondern ein bedeutender Schritt auf dem Weg zu einem besseren Verständnis meiner selbst und wie ich mein Leben gestalte. Sie hat mir ermöglicht, meine Eigenschaften nicht länger als reine Defizite zu sehen, sondern als Teil eines komplexen Bildes, das auch Stärken umfasst.


Ich bin zuversichtlich, dass ich mit diesem Wissen und der richtigen Unterstützung meinen Weg finden werde und auch andere dabei unterstützen kann ihren zu finden. Psychologische Beratung und Coaching habe ich bereits im Rahmen meiner bisherigen Tätigkeit sehr oft angeboten und nicht wenige meiner Klient*innen aus der Vergangenheit hatten ADHS. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, diesen Pfad weiter zu verfolgen und wurde ein Teil von active mind.


Ich freue mich immer noch riesig darüber!

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